Text von Dr. Monika Stocker, Moderne Galerie Saarbrücken
erschienen in OPUS Kulturmagazin Sept/Okt 2020
Idee und Verwirklichung, Promotion und Marketing – der Künstler O.W. Himmel hat alles selbst im Griff. Autark und authentisch schafft Himmel seine Kunst und macht sich, als geeignetster Vermittler, für sie stark. Inzwischen ist er, der sich als „Unternehmer“ bezeichnet, ein perfektionierter Ein-Personen-Betrieb in eigener Sache, der das im Kunstbetrieb vernachlässigte „untere Marktsegment“ bedient. Himmel für Himmel oder „Himmel hilf!“, wie eine Linolschnittauflage des Künstlers selbstironisch betitelt ist.
Der in der zeitgenössischen Kunstszene nur selten – zumal in solcher Stringenz – gepflegte Linolschnitt ist Markus Himmels Medium. Seine Motive findet er in der Alltagskultur, in Labels und Marken, die eine (alte Vinyl-) Schallplatte ebenso zieren wie eine Bananenkiste. Himmel ist sensibilisiert, diese für viele unscheinbaren Gestaltungskunstwerke wahrzunehmen, sie aus ihrem Kontext herauszulösen und – nach erheblicher Vergrößerung – in seine Linolschnitte umzusetzen. Ein gedrucktes Plattenlabel wird dann etwa so groß wie eine Plattenhülle, ein Bananenlogo (das hundertste erscheint in Kürze!) so groß wie der Boden einer Bananenkiste.
Die Designleistungen der kaum namentlich bekannten Graphiker und Typographen begeistern Himmel. Immer wieder findet er neue Labels. Ein großes Netzwerk, das er über die Jahre aufgebaut hat, gibt immer wieder Hinweise auf bislang unentdeckte Label-Spuren. Und es gibt die Material-Netzwerke, denn Himmel ist ein ebenso geschickter wie unbeirrbarer Impresario. Linolflächen von alten Böden am Stück, überschüssige Farbtöpfe – das System des Materialrecyclings dient der Grundlagenbeschaffung. So behauptet auch seine Signatur OW nicht die Urheberschaft des Machens, sondern die des Gefundenhabens.
Spiegeln seine Drucke mittlerweile beinahe eine Welt-Platten-Geschichte samt ihrer speziellen, je zeitgebundenen Typo, so wandte sich Himmel jüngst auch den zum Hören der Platten unweigerlich erforderlichen Abspielgeräten zu. Horizontal segmentierte alte Plattenspieler reizen ihn in ihrer flächigen Formgestaltung. Metallisches Changieren der monochromen Druckfarben und die (drucktechnisch bedingte sowie Autonomie der Alleinarbeit garantierende) Zergliederung auf vier Druckbogen tragen zur verfremdeten Anmutung bei.
Die Kunst des Linolschneidens hat Himmel so verinnerlicht, dass er sich nun von einer anderen Warte aus mit ihr beschäftigen kann. Eine neue 6-teilige Serie, im Gegensatz zur sonst geschätzten Farbigkeit pur Schwarz-Weiß, reflektiert das Making-of. Dem Comic entlehnte Panels greifen je typische Arbeitsvorgänge heraus. Auch hier wird das Alltägliche, das eingeübte Arbeiten des Künstlers, in der Darstellung monumentalisiert und zugleich zu einer Erzählung gemacht, die ihre eigenen Mittel thematisiert. Das Aufwalzen der zähen Farbmasse für den Druck spielt raffiniert mit den typischen Flächeneffekten des Linolschnitts. Ergebnis des in Entstehungsetappen zu sehenden Werks ist der immense, elffarbige Linoldruck „Im Reich des schwarzen Goldes“. Hier thront Himmel in seinem Universum: als zeitgenössischer Goldschürfer der Labelarchive.